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Bemerkungen zur Nordwestpassage
Die in der Passage zurückzulegende Gesamtdistanz ist ungefähr 5000 sm.
Vor allem der kanadische Teil der Passage ist im Sommer ein Schwachwindrevier (was nicht
heißt, das es nicht heftig blasen kann), man muß daher davon ausgehen, den größten Teil oder
auch alles unter Motor fahren zu müssen.
Dabei ist mit einem Gesamtverbrauch von bis zu 2000 l Diesel zu rechnen. Weil die Distanzen
zwischen den Tankmöglichkeiten sehr groß sind, und die Erhältlichkeit von Diesel nicht sehr
zuverlässig ist, sollte man mindestens 700l Diesel an Bord haben. Das ist nicht ohne viele
extra Kanister zu erreichen, die den Lebensraum einengen. Nachdem die Heizung auch mit Diesel
betrieben wird, ist das ein kritischer Punkt.
Ganz allgemein sind die Lebenshaltungskosten innerhalb der NWP erheblich höher als gewohnt.
Das betrifft nicht nur den Treibstoff, sondern auch vor allem Lebensmittel. Zudem ist die
Zusammenstellung der erhältlichen Lebensmittel anders als gewohnt. Es ist also nicht nur teuer,
sondern auch gewöhnungsbedürftig.
Weil es in diesem doch sehr menschenleeren Land kaum Ressourcen vorhanden sind, ergibt sich der
Zwang zur Autarkie. Ganz gleich welches Problem auftritt, man muß sich selbst helfen, denn
fremde Hilfe ist entweder nicht erreichbar oder hat eine Vorlaufzeit von mehreren Tagen. Das
betrifft insbesondere nautische Notfälle, aber auch technische oder medizinische Probleme.
Die Eislage ist von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich, obgleich sich ein deutlicher Trend
zur Verlängerung der Saison nicht verleugnen läßt. Das hat jedoch weniger mit den Temperaturen,
sondern mehr mit den jeweiligen Windrichtungen zu tun.
So war in 2013 die Durchfahrt durch die Bellot Strait nur wenige Stunden (1 Tide) offen und
nicht ohne Unterstützung durch Eisbrecher zu schaffen. In 2015 war die gesamte Passage ab 15.8. bis
10.10 durchgehend nahezu eisfrei, es waren sogar alle bekannten Varianten der Passage befahrbar.
Weil jedoch gleichzeitig mit der Reduktion des nördlichen Eises eine Vermehrung des südlichen Eises
stattfindet, liegt die Vermutung nahe, daß es sich netto nicht um eine Erwärmung, sondern um
eine Oszillation handelt. Die allerdings ist in ihrem Verhalten und ihren Auswirkungen
bis jetzt weitgehend unbekannt.
In 2016 wird erkennbar, daß sich sehr früh im Jahr (Mitte Mai) die Polynia in der Nares Strait öffnet
und weit nach Norden erstreckt. Nachdem die Nares Strait ein langer, schmaler Schlauch ist, wird er
kaum von der üblichen Treibeisbewegung betroffen sein, und daher offen bleiben, bis er im Herbst wieder
zufriert. Dadurch wird es vermutlich möglich sein, im Sommer mit einem Segelboot sehr weit nach Norden
vorzustoßen und womöglich einen Rekord zu brechen. Dieser Trend hat sich nicht fortgesetzt, die
Nares Strait hat sich bald wieder verschlossen. Insgesamt hat sich die gesamte Polare Treibeisfläche
Richtung Alaska/Ostsibirien verschoben, sodaß man z.B. bei Spitzbergen dieses Jahr weiter nach Norden
kommt als gewöhnlich. Leider bleibt dadurch die Bering Sea länger blockiert als in den vergangenen Jahren.
In diesem bisher sehr außergewöhnlichen Jahr 2016 ist bereits Ende Juni der Zugang zur Bellot Strait
durch das Prince Regent Inlet (bedingt) zugänglich, während das restliche Kanadische Archipel und vor
allem die Beaufort Sea noch mit festem, gechlossenem Eis verschlossen ist.
Es ist nicht sinnvoll, da hineinzufahren, solange das deutlich erkennbar eine Sackgasse ist.
Bereits Ende August ist der kanadische Archipel durchgehend befahrbar, wenn auch nicht auf allen Routen.
Insbesondere die McClure Strait und McClintock Channel sind noch dicht, und werden es möglicherweise
auch bleiben. Die Route Nr. 5 scheint ohne Problem zu sein.
Im Gegensatz zu früheren Jahren bleibt jedoch die Bering Sea sehr lange blockiert. Insbesondere um
Point Barrow hält sich hartnäckig ein recht dichtes Treibeisfeld. Dieses scheint sich nun Mitte
September etwas aufzulockern, aber wirklich frei und gefahrlos ist das nicht!
Während sonst das Treibeis weiten Abstand (mehrere 100 sm) Abstand zur Küste hält, ist es nun gefährlich
nahe. Da reichen wenige Tage nördlicher Wind, und die Durchfahrt ist wieder verschlossen.
Wenn man nun aus diesem Grund die Passage abbrechen muß, hätte man einen sehr langen Rückweg, den man
Angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit womöglich nicht schafft: Man könnte gezwungen sein, in der Passage
zu überwintern!
Jetzt, Mitte September '16 ist bereits das Eisminimum erreicht, Zeit für ein erstes Resumee dieser Saison.
Der langfristige Trend zur Verlängerung der Saison hat sich nicht durchgesetzt. Es war zwar möglich,
einigermaßen gefahrlos die Passage zu Durchqueren, jedoch nicht auf allen Routen. Im kanadischen
Archipel haben sich in Gegenden, die im vergangenen Jahr völlig eisfrei waren, lockere Treibeisfeder
durch den ganzen Sommer gehalten, z.B. im Lancaster Sound.
Der Kritische Punkt war dieses Jahr Point Barrow am westlichen Eingang/Ausgang der NWP. Ein paar
Tage nördliche Winde mehr, und die Passage wäre dieses Jahr ohne Eisbrecher gar nicht befahrbar
gewesen! Dabei muß man wissen, daß große Kreuzfahrtschiffe, die auch dieses Jahr wieder durchgefahren
sind, dies nicht ohne Absicherung durch Eisbrecher tun, eine Hilfe, die einer kleinen Segeljacht
wenn überhaupt nur zufällig zur Verfügung steht!
Weil die Nordküste vor Alaska ausgesprochen ungastlich für Segelyachten ist und es insbesondere keine
wirklich sicheren Häfen oder auch nur Ankerplätze gibt, kann das Warten auf eine günstigere
Eislage vor Point Barrow durchaus gefährlich sein, und zu einem Scheitern des Vorhabens kurz
vor dem Ziel führen!
Ende Oktober '16 ist das kanadische Archipel längst dicht. Auf der Ostseite sind Baffin Bay und
Davis Strait, auf der Weststeite Beaufort Sea, Tschuktschen Sea und Bering Sea noch soweit offen,
daß man aus den Arktischen Breiten noch verschwinden kann. Insbesondere hat dieses Jahr die Beaufort
Sea jetzt weniger Eis als im August! Warten hätte sich gelohnt.
Allerdings ist das herbstliche Wetter in der Bering Sea und im Nordpazifik ausgesprochen ungemütlich.
Da ziehen eine Kette von Tiefdruckgebieten im Bogen mit Abstand von der Küste durch,
und sorgen für heftigste Südwinde und dazwischen schwache umlaufende Winde. Die mäßigen Nordwinde,
die man für eine Reise nach Süden bräuchte, kommen eher weniger vor.
Ende Juni '17 zeigt die Eiskarte eine etwa 2 wöchige Verzögerung der Eisöffnung gegenüber dem
vergangenen Jahr. Die Grönländische Westküste ist erst bis etwa Upernavik zugänglich, viele Fjorde
und Buchten sind noch mit festem Eis verschlossen. Die Baffin Bay ist zwar schon teilweise offen
aber noch durch einen Eisriegel verschlossen.
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